Sehr geehrte Damen und Herren!
Die Hoffnungen, die mit der Nutzung digitaler Endgeräte im Unterricht verbunden
werden, sind sehr groß. Das ist auch bei manchem Debattenbeitrag wieder deutlich geworden. Es besteht die Hoffnung, dass mit einer Digitalisierungsoffensive ein Modernisierungsschub in den Schulen erreicht wird.
Allerdings ist bis heute unklar und wenig belegt, inwieweit diese Hoffnungen in der Tat auch substanziell hinterlegt
werden können. Meiner Meinung nach kommt es ganz entscheidend darauf an, wie wir das ausgestalten. Deswegen war es richtig, dass der Minister heute skizziert hat, was
wir mit dem Hessischen Digitalpakt Bildung vorhaben.
Der Digitalpakt zwischen dem Bund und den Ländern ist
dabei ein Add-on. Er ist ein willkommenes Sahnehäubchen. Er ist etwas, was wir gerne hinzunehmen. Aber wenn
man das Geld des Bundes in Relation zu dem setzt, was Hessen an Anstrengungen unternehmen wird, dann sieht man, dass es sich um etwas Willkommenes handelt, was
hinzugefügt werden kann. Das kann aber nicht die großen Anstrengungen ersetzen, die das Land Hessen unternimmt.
Herr Kollege Kaffenberger, ich habe überhaupt nicht verstanden, warum Sie aus dem Digitalpakt des Bundes und
der Länder eine Geschichte zwischen CDU und SPD gemacht haben. Wie wir den Ausführungen des Herrn Kollegen Boddenberg entnehmen konnten, hatten wir eine Situation, in der sich alle 16 Bundesländer – es gibt auch noch Bundesländer, in denen die SPD mitregiert – gegen den
Übergriff des Bundes gewehrt haben. Von daher kann man da nicht die Nummer „CDU gegen SPD, und die SPD war vorne“ aufmachen. Ich glaube, es war richtig, dass alle
Bundesländer gegen diesen Übergriffsversuch des Bundes zusammengestanden haben.
Ich bin der Meinung, dass der Einsatz digitaler Medien
dieselben Qualitätsstandards wie jede Maßnahme im Bildungsbereich erfüllen muss. Das darf kein Selbstzweck
sein. Wenn man in großem Maß Geld investiert, muss man die Frage stellen: Was kann mit diesen Investitionen besser
erfolgen, als wenn man ohne diese wäre? – Man muss fragen: Was kann dadurch an der Unterrichtsqualität verbessert werden?
Auch im Zeitalter der Digitalisierung bleibt festzuhalten, dass analoge Kompetenzen wichtig bleiben werden. Nur wenn wir die Unterrichtung mit digitalen Medien mit den
klassischen Unterrichtsinhalten zusammenführen können, wenn wir damit eine Verbesserung des Kompetenzerwerbs
aller Schülerinnen und Schüler erreichen können, haben wir eine Verbesserung der Lehr-Lern-Situation an allen
Schulen. Erst dann ist es eine lohnende Investition. Deswegen lohnt es sich, so viele Überlegungen anzustellen, wie wir das Geld investieren wollen.
Die Qualitätskriterien guten Unterrichts sind für mich und für die GRÜNEN, dass wir den Kompetenzerwerb aller Schülerinnen und Schüler möglichst in allen Bereichen der
Kerncurricula – früher Lehrpläne genannt – verbessern müssen. Das heißt, dass mit digitalen Medien, wenn sie
eingesetzt werden, neue Zugänge oder motivierende Elemente daraus folgen müssen.
Zweitens. Es ist so, dass die Digitalisierung natürlich die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler maßgeblich gestalten wird, wobei auch heute nicht klar ist, wohin die
Entwicklung gehen wird. Heute können wir immer nur die Situation heute lehren, während immer lebenslanges Lernen notwendig sein wird. Klar aber ist, dass sich Gesellschaft und Wirtschaft und damit das Arbeitsleben massiv ändern werden, weswegen dieser Kompetenzerwerb auch mit digitalen Medien erreicht werden muss.
Drittens. Neben den fachlich-inhaltlichen Kompetenzen ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler medienkompetent werden, also selbstbewusst und reflektiert mit digitalen Medien umgehen können; denn digitale Medien bieten große Chancen, aber auch Risiken, und zwar nicht nur für die einzelne Schülerin und den einzelnen Schüler, sondern für die gesamte Gesellschaft.
Viertens. Ergänzend dazu bedarf es einer informationstechnischen Grundbildung, die einen wichtigen Beitrag zum Weltverstehen der Schülerinnen und Schüler geben kann.
Das bedeutet, dass Informatikunterricht auch dann, wenn wir Digitalisierung über alle Fächer denken, weiterhin seine Berechtigung haben wird.
Fünftens. Wir als GRÜNE wollen kein Kind zurücklassen. Auch diese Frage muss die Digitalisierung beantworten.
Auch hier müssen digitale Medien sinnstiftend eingebracht werden.
Sechstens. Wir als GRÜNE wollen, dass der Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern von ihrer sozialen Herkunft entkoppelt wird. Auch dieses Qualitätskriterium
muss erfüllt werden, wenn wir über neue Medien reden.
Siebtens. Wir wollen Integration und Inklusion an unseren Schulen vorantreiben. Auch das ist ein Qualitätsmerkmal,
das bei allen bildungspolitischen Debatten reflektiert werden muss.
Ich will jetzt nicht damit sagen, dass all diese Qualitätsmerkmale auf einen Schlag mit neuen Medien erreicht würden, im Gegenteil. Wir sollten die Erwartungen, die
mit der Digitalisierung verknüpft werden, eher dämpfen, damit nicht am Ende Erwartungen enttäuscht werden. Was
ich damit deutlich machen will: Der Einsatz digitaler Medien ist für uns kein Selbstzweck, sondern muss sich, wie
jede andere Maßnahme, an allgemeinen bildungspolitischen Zielen messen lassen. Wenn wir das zusammen denken, dann wird aus dem Digitalpakt und dem Digitalpakt
Hessen ein großer Gewinn für unsere Schülerinnen und Schüler.
Wenn wir darüber reden, wie wir das umsetzen wollen, wird leider viel zu oft allzu kurz gegriffen. Wir hatten in der letzten Wahlperiode die Forderung der FDP: „Jedem
Kind ein Tablet“. Ich glaube, dass dieses Vorgehen, mit der Gießkanne Geräte in die Welt zu setzen, die Schulen keinen Millimeter weiterbringt, sondern dass das eher Investitionsruinen erzeugt. Ähnliche Forderungen kamen heute von LINKEN und SPD. Ich glaube, dass das zu kurz gegriffen ist.
Wir brauchen vielmehr einen Digitalpakt Hessen, bei dem auch gezielte Maßnahmen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern beinhaltet sind, die sie
befähigen und stark machen, die geänderten Anforderungen im Unterricht umzusetzen. Wir können diesen Weg nämlich nur mit den Lehrerinnen und Lehrern gehen. Sie
werden auch bei aller digitalen Technik unabdingbar für den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern bleiben.
Wir müssen erarbeiten, welche Anwendungsempfehlungen, welche Handreichungen es für Lehrerinnen und Lehrer gibt. Wir müssen unterscheiden, wo der Einsatz von digitalen Endgeräten Sinn macht und wo er nur Spielerei ist, welche Software notwendig ist. Dafür brauchen wir alle Akteure der Lehrerbildung. Das heißt, von den Hochschulen über die Studienseminare mit den Schulen zusammen bis hin zu den Trägern der Fortbildung müssen wir alle mit an Bord nehmen.
Und wir müssen mit den Schulträgern – auch das ist ein wichtiger Bestandteil des Digitalpakts Hessen – Muster
und Rahmen erarbeiten, wie die Investitionen – die sind vornehmlich durch die Schulträger zu erarbeiten – am
sinnvollsten zu tätigen sind, dass an dieser Stelle das Geld auch sinnvoll eingebracht wird.
Nur wenn wir all das zusammen denken, wird die Digitalisierung auch mit Leben gefüllt. Ohne diese Überlegungen
ist die Digitalisierung eine Hülle ohne Inhalt und wird nicht zum Gewinn für unsere Schülerinnen und Schüler.
Ich möchte in dieser Debatte auch noch einmal darauf hinweisen, dass bei allen neuen Inhalten, die durch die Digitalisierung diskutiert werden und die auch notwendig sind, in Schulen implementiert zu werden, es notwendig ist, dass auch das bisher Gelehrte künftig seinen Stellenwert in Schulen haben wird. Das heißt, selbst mit der Hand schreiben zu können, selbst im Kopf rechnen zu können, das wird auch in Zukunft notwendig sein. Das eigenständige Denken kann und soll uns keine Maschine abnehmen. Gerade die Förderung von kreativem Handeln wird meiner Überzeugung nach in Zukunft wichtiger werden, weshalb
auch Kunst, Musik, Religion, Ethik oder darstellendes Spiel gerade in Zeiten der Digitalisierung sehr wichtig bleiben werden.
Der nun geschlossene Digitalpakt zwischen Bund und Ländern mobilisiert Millionenbeträge, auch für Hessen. Diese können wir gut gebrauchen. Die Koalitionsfraktionen von
CDU und GRÜNEN wissen, dass die großen Hoffnungen, die auf der Digitalisierung liegen, nur dann erfüllt werden, wenn wir mit einem eigenen hessischen Digitalpakt dafür
sorgen, dass das Geld zielgerichtet eingesetzt wird. Wir werden dafür sorgen, dass das Geld klug eingesetzt wird
und keine Investitionsruinen entstehen. Wir werden Lehrerinnen und Lehrer stark machen, um mit ihnen den Einsatz moderner Medien zu einem echten Gewinn für alle Schülerinnen und Schüler zu machen.